Freitag, 29. Juli 2011

Tu as une fois goûté ca?

Die letzten zwei Wochen meines Togo-Aufenthalts stehen bevor und die Gefühle sind gemischter denn je. Einerseits zieht es mich nach Deutschland, nach München, zu meiner Familie, meinen Freunden und dem deutschen Leben zurück. Das Leben dort ist für die anderen einfach weiter gegangen. Der ein oder andere vermisst mich vielleicht, doch kann ich nicht erwarten, dass sich nach meiner Rückkehr alles um mich dreht. Jeder hat seinen Alltag und ich komme von einer langen Reise zurück und werde mich erst einmal wieder zurecht finden müssen. Mit all dem Luxus und der Verschwendungssucht, überfüllten Supermärkten, großen teuren Autos, voll gestopfte Läden mit sinnlosem Schnickschnack. Andererseits endlich wieder anonym durch die Straßen gehen zu können ohne von jedem mit ‚hellooooo’, ‚Yovo!’ oder ‚tsssssss’ begrüßt und herbeigelockt zu werden. Sich nicht ständig beobachtet fühlen. Man lebt zwar in und mit der Gesellschaft, bleibt aber doch immer irgendwie etwas Besonderes. Die weiße Haut verrät einen immer wieder. 
 
das gesamte Team
Die letzten Wochen bin ich kaum zur Ruhe gekommen, von einem Event zum anderen gerannt. Angefangen hat alles mit drei Wochen Workcamp organisiert von unserer Freiwilligengruppe. Zusammen mit 10 nationalen Freiwilligen haben wir eine Woche einen Hang von ca. einem Hektar auf dem Agou (höchsten Berg Togos) aufgeforstet. Das Gelände gehört zu einem Collège und mit Hilfe des erwirtschafteten Geldes durch den Verkauf von Holz können neue Bäume gepflanzt, aber auch Schulbücher und andere unterrichtsrelevanten Materialien bezahlt werden. Außerdem hilft die Aufforstung gegen Erosion, die vor allem in der Regenzeit großen Schaden anrichten kann. Die Arbeit war wirklich hart, zum Glück hatten wir Hilfe von den Schülern des Collège. 

für's Foto reichts grad noch...
Die Arbeit mit der Machete im Busch verursacht nicht nur wunde Hände sondern übersät einen auch mit den größten und schmerzhaftesten Insektenstichen. Die Handhabung einer Machete war für uns Weiße auch nicht gerade einfach und es verlässt einen ab und zu der Mut, wenn man sieht wie leichtfertig ein 10-jähriger Schüler sich durchs Gebüsch schlägt und alles klitzeklein hackt ohne auch nur ein Zeichen der Müdigkeit. Oft hat mir das Hoch und Runter auf dem Berg schon die letzte Kraft geraubt. Diese verwöhnten Stadtkinder…!!! Doch trotz aller Wehwehchen und Entmutigungen sind wir am Ende der Woche mit dem Pflanzen von ca. 1000 Setzlingen fertig geworden und konnten ein rauschendes Fest feiern. Das Nationalgetränk, der Togogin hat alle Schmerzen vergessen lassen. Zumindest bist zum nächsten Morgen.

kurz vor der Aufführung
Die zweite und dritte Woche haben wir mit Schulkindern aus Kpalimé gearbeitet. In verschiedenen Workshops (Tanzen, Malen, Perkussion, Theater, Jonglieren und Akrobatik) haben wir eine wunderbar gelungene Veranstaltung am Ende des Workcamps erarbeitet. Durch die Zusammenarbeit mit den nationalen Freiwilligen sind auch noch einmal neue Freundschaften zwischen schwarz und weiß geknüpft worden. Schade, dass das für viele erst so spät statt gefunden hat.
An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal allen für ihre großzügigen Spenden danken ohne die das Workcamp in dieser Form nicht hätte stattfinden können. Ich denke, dass es für jeden einzelnen eine Bereicherung des Aufenthalts war und man noch mal einiges über Land und Leute erfahren konnte. Auch wenn ich oft an meine Grenzen gestoßen bin, denke ich gerne an die gemeinsamen Wochen zurück.

Im Anschluss an das Workcamp folgte der Abschied der ersten Heimkehrerin. Ein merkwürdiges Gefühl. Die Gedanken an die eigene Heimreise holen einen ein, auch wenn man noch zwei Monate vor sich hat. Ein komisches Grummeln im Bauch macht sich bemerkbar.

Accra bei Nacht
Doch das ist alles schnell vergessen, denn eine kleine Gruppe Freiwilliger stürzt sich in das Abenteuer Ghana. Schon der Bus der uns nach Accra bringen soll, erinnert mich an die Business Class im Flugzeug. Die Temperatur ist genauso runtergekühlt und ich friere erbärmlich. Der Weg in die Hauptstadt lässt noch keinen großen Unterschied zu Togo erkennen doch das soll sich schon bald ändern. Accra empfängt uns mit herrschaftlichen Zubringern zu breiten, gut geteerten Straßen. Man sieht kaum noch ein Motorrad, stattdessen die neuesten Mercedes, BMW und andere Luxusmodelle. Urplötzlich fühlt man sich nach Europa versetzt, der Schock ist groß und man weiß gar nicht, wie man damit umgehen soll. Dass die Länder Afrikas unterschiedlich weit entwickelt sind weiß jedermann, aber wenn man es dann mit eigenen Augen sieht… ich konnte einfach nur staunen. Den ersten Tag in Accra haben wir uns dem Luxus gewidmet, die Accra Mall besucht, das Symbol des Reichtums. In so teuren Läden war ich selbst in Deutschland noch nicht. Das Kontrastprogramm dazu bekamen wir am nächsten Tag in Jamestown, einem armen Fischerviertel. Von einem Leuchtturm aus konnten wir ungestört das Treiben beobachten. Mittendrin traut man sich ja doch meistens nicht genau hinzusehen. Ich brauche etwas länger um diese krassen Unterschiede auf so engem Raum zu verdauen und auch wenn ich heute noch daran denke, wird mir ganz anders. Ein unbeschreibliches Gefühl.
Eine knapp 30-stündige Fahrt mit einer Fähre auf dem Voltasee bringt uns weiter in den Norden. Es gibt nur drei Kabinen für die ‚Reichen’. Wir ergattern ein paar Holzbänke auf dem Oberdeck. Dort stinkt es zwar nicht so wie im unteren Teil, dafür bläst der Wind ganz schön kalt und die Nacht ist alles andere als angenehm. 
Sonnenuntergang auf dem Voltasee
Die Fahrt ist trotzdem entspannend, stellt sich nicht die Frage, was machen mit dem Tag. Einfach die Ruhe des Sees genießen, die Ufer mit seinen Wäldern und Hügeln bestaunen, beim Sonnenuntergang ein bisschen wehmütig werden und das bunte Treiben beim Auf- und Abladen der Waren an verschiedenen kleinen Anlegestellen beobachten. Noch einmal eine ganz andere Welt.
Die nächste geplante Stadt ist Kumasi, auch Millionenstadt, mit dem größten Markt Westafrikas. Eigentlich kann man sagen, dass die gesamte Innenstadt Markt ist. Wir wohnen sehr zentral, was leider auch bedeutet, dass von 6 bis 18 Uhr Autos huppen, Verkäufer ihre Waren laut anpreisen und Kinder um die Wette schreien. Alles andere als erholend. Zudem kommt noch, dass einer aus unserer Gruppe an einer schweren Malaria erkrankt und fast eine Woche das Krankenhausbett hüten muss. Die anderen reisen weiter, ich bleibe in Kumasi und statte brav morgens und abends den Krankenbesuch ab. Warum nicht auch einen Vorteil daraus ziehen und das ghanaische mit dem togoischen Gesundheitssystem zu vergleichen. Es gibt eine Krankenversicherung, allerdings funktioniert das Fieberthermometer nicht (was keiner merkt oder gar stören würde). Die Fieberkurve auf dem Papier sieht gut aus, warum geht es dem Patienten nur so schlecht? Es waren statt 37° einfach 39°C! Außerdem gibt es in dem gemischten Schlafsaal mehr Moskitos als ich sonst im ganzen Jahr gesehen habe. Auf meine Anmerkung hin, dass hier doch auch Malaria behandelt werden und die Anwesenheit der Überträger sicherlich nicht hilfreich sein würde, ernte ich ein herzliches Lachen. 
 
Schloss Elmina bei Cape Coast
Nachdem der Kranke wieder transportfähig ist, geht es zurück nach Accra (so eine schlechte Straße gibt es selbst in Togo nicht!), von wo aus er nach Togo zurückreist und ich noch drei Tage Cape Coast anhänge. Ich werde reichlich belohnt, eine kleine Küstenstadt zum Wohlfühlen. Doch auch geschichtsträchtig. Hier ist früher viel mit Gold und vor allem mit Sklaven gehandelt worden. Bei einer Schlossbesichtigung erfährt man unter welchen grausamen Bedingungen die Sklaven bis zu ihrer Verschiffung nach Amerika und Europa ausharren mussten. Da läuft einem nicht nur ein Schauer über den Rücken.
mit Ruth auf dem Entdeckungsreise
Nur zwei Tage nach meiner Heimkehr aus Ghana, kommt auch schon Ruth, eine Freundin aus Deutschland angereist um mich zu besuchen. Alles etwas anstrengend aber wir haben sehr schöne Tage in Lomé, Kpalimé und Atakpamé erlebt. Einen abenteuerlichen Spaziergang zu Togos größtem Wasserfall. Der Führer musste uns zweimal durch den Fluss tragen, da jetzt zur Regenzeit kein Durchkommen ist. Mit den Nilpferden hatten wir nicht so viel Glück. Mehr als ein paar Ohren und die Nasenlöcher haben wir leider nicht zu Gesicht bekommen.
Jetzt wird es Zeit, langsam allen Tschüss zu sagen, letzte Einkäufe zu tätigen und sich zu fragen, wie überhaupt ganz Afrika in meinen Koffer passen soll. Eigentlich will ich noch gar nicht weg. Togo ist doch auch mein Land geworden und ich überlege jetzt schon, wann ich zurückkommen werde. Kann ich einfach so von einem Leben ins andere wechseln? Alles was mir hier lieb und teuer geworden ist zurücklassen. Natürlich werde ich in Deutschland auch viel Vermisstes wieder finden. Aber der Abschied kommt nun mal vor dem Wiedersehen!